Sozialdemokraten informieren sich über Aufgaben der Tabi – Zu Besuch in der Jakob-Muth-Schule

Bild: Heinrich Schepers

Bei einem Besuch in der Jakob-Muth-Schule in Meppen haben Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion einen Einblick in die Arbeit der Tagesbildungsstätte (Tabi) erhalten und mit Schulleiterin Martina Melle sowie Michael Korden, Geschäftsführer der Vitus Betriebsgesellschaften, über die Bildungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen im Emsland diskutiert.

Schon im Vorfeld des Gesprächs war klar, dass ein Diskussionsbedarf über die Bildungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen im Emsland vorhanden ist. Grund ist eine unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Einrichtung einer Förderschule GE. Kurz zusammengefasst: Die SPD erkennt die Tabi zwar als wichtigen Baustein in der Bildungsarbeit an, setzt sich aber seit dem Jahr 2012 für die zusätzliche Einrichtung einer Förderschule Geistige Entwicklung (GE) an einem Standort im Emsland ein. Hierzu stellte die SPD im Kreistag bereits mehrere Anträge, zuletzt im Jahr 2021. Die Vitus-Betriebsgesellschaft, die unter anderem Träger der Tagesbildungsstätte Jakob-Muth-Schule ist, betrachtet dagegen das Bildungsangebot der Tabi als geeignet, um alle Kinder mit dem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf geistige Entwicklung – ihren individuellen Fähigkeiten entsprechend – zu unterrichten. Unter anderem aus diesem Grund sieht Vitus keine Notwendigkeit für die zusätzliche Einrichtung einer Förderschule GE.

Andrea Kötter, Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, machte zunächst deutlich, dass es der SPD keinesfalls darum gehe, die Qualität der Bildungsarbeit in den Tagesbildungsstätten in Frage zu stellen. „Hier wird im Sinne der Kinder sehr gute Arbeit geleistet. Das Angebot bleibt unserer Auffassung nach ein wichtiger Bestandteil bei der Bildung und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen im Emsland“, sagte Kötter. Auch Fraktionsmitglied Anno Immenga betonte: „Ohne Tabi geht es im Emsland nicht.“ Der SPD sei es deshalb wichtig, das Gespräch zu suchen, sich zu informieren und so alle Argumente in die politische Arbeit einfließen zu lassen.

Martina Melle, Schulleiterin der Jakob-Muth-Schule, berichtete zunächst in einem ausführlichen Vortrag über Schwerpunkte der Arbeit an der Schule. Dabei wurde deutlich, dass sowohl in den Tagesbildungsstätten sowie auch in den Schulen mit Förderschwerpunkt GE kein Schulabschluss vorgesehen sei und auch nicht vergeben werde. In Bezug auf die Lerninhalte sah Melle keine wesentlichen Unterschiede. Im Gegenteil: „Alle Lernorte für den Förderschwerpunkt GE, das gilt für die inklusive Grund- und Oberschule, die Förderschule GE sowie die Tagesbildungsstätte, arbeiten auf der Grundlage desselben Kerncurriculums.“ Wie Melle weiter ausführte, seien die jeweiligen Schulen für die Umsetzung der schuleigenen Lehrpläne verantwortlich. Eine Qualitätskontrolle der Lehre an den genannten Schulformen gebe es nicht. Dass ein Schüler unterfordert werde, komme selten vor. „Es wird vor der Einschulung sehr genau abgeklärt, ob der Besuch einer Regelschule nicht doch sinnvoll und möglich ist“, so Melle. Selbst wenn eine Unterforderung auffalle, würden betroffene Schüler der Landesschulbehörde zur nochmaligen Überprüfung gemeldet und bei Bedarf an eine geeignete Schule weitergeleitet. Melle betonte: „Bei einer Fehlplatzierung kann auch eine Förderschule GE keine Abhilfe schaffen.“

Korden erläuterte, dass Schüler der Jakob-Muth-Schule durch die schulische Ausbildung und die zusätzliche berufliche Orientierung in den letzten drei Schuljahren in den Tabis gute berufliche Perspektiven aufgezeigt bekommen. Es würden Betriebspraktika durchgeführt und es gebe eine enge Zusammenarbeit mit den Qualifizierungskräften aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. So könne einerseits ein kammerakkreditierter Abschluss als Handwerksgehilfe oder Hilfskraft erworben werden. Andererseits stehe den Absolventen die Arbeit in einem Inklusionsbetrieb oder die Vermittlung beispielsweise in Richtung Berufsbildungswerk offen. Das gelte für die Tabi-Schüler ebenso wie für Absolvent einer Förderschule GE.

Daneben sei die Schülerschaft GE sehr heterogen. Für deren unterschiedliche Herausforderungen brauche es multiprofessionelle Teams. „Eine zu starke Fokussierung auf die Qualifikation der Lehrer ist dazu nicht zielführend“, so Melle. Die zusätzliche Gründung einer Förderschule GE schaffe, so ein weiteres Argument der Vitus-Mitarbeiter, eine weitere Sondereinrichtung und widerspreche somit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention als gültige Leitlinie für politisches Handeln in Deutschland.

Immenga dankte für den Vortrag und die Informationen. Er erklärte, dass die genannten Argumente in die weiteren Überlegungen beim Thema Förderschule GE einbezogen werden müssten. Trotzdem ließe sich nicht wegdiskutieren, dass es der ausdrückliche Wunsch viele betroffenen Familien sei, ihre Kinder in einer Förderschule GE unterrichten zu lassen. „Das ist schon daran festzumachen, dass zahlreiche Kinder aus dem Emsland eine der Förderschulen in den Nachbarkreisen Grafschaft Bentheim oder Leer besuchen. Das muss Gründe haben“, so Immenga. „Ich bin deshalb nach wie vor der Auffassung, dass wir den Elternwillen bei der Wahl der Schulform ernst nehmen müssen“, ergänzte Kötter. Zudem vertrete die SPD die Auffassung, dass Förderschule und Tabis ohne Probleme koexistieren könnten. Die Fraktionsvorsitzende schlug vor, dass es zunächst Gespräche mit den Elterninitiativen geben müsse, um auch deren Argumente zu hören. Zusätzlich plane die SPD den Besuch einer Förderschule GE. Auf allgemeine Zustimmung stieß die Anregung, eine gemeinsame Diskussionsrunde zwischen Tabi, Politik und Elterninitiativen über die Einrichtung einer Förderschule GE auf den Weg zu bringen.