Die SPD-Kreistagsfraktion fordert Systemwechsel in der Fleischindustrie

Die Covid-19 Pandemie hat in erschütternder Weise die gravierenden Mängel im System der Fleischwirtschaft offengelegt. Die Beschäftigten, deren schlechte Arbeitsbedingungen ständiger Anlass für Kritik an den Schlachtbetrieben war, sind der Infektion mit dem Virus fast schutzlos ausgeliefert. Die SPD-Kreistagsfraktion fordert daher, umgehend einen nachhaltigen Systemwechsel einzuleiten.

Nachdem Anfang Juli das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück wegen des Corona-Massenausbruchs geschlossen werden musste, ist nun auch der Betrieb in Sögel zu einem Hotspot der Infektion geworden. Mit umfangreichen Maßnahmen im Werk versucht die Betriebsleitung, den Schlachtbetrieb zumindest in reduziertem Umfang aufrechterhalten zu können. Zynisch klingt dabei die Begründung des Sprechers der Tönnies-Gruppe André Vielstädte, man könne die Beschäftigten doch besser arbeiten lassen, als sie der Langeweile eines unstrukturierten Tagesablaufs zu überlassen.

Diese Äußerung legt die Vermutung nahe, dass die Quelle des massiven Infektionsausbruch nicht allein das Werk sein könnte, sondern im Besonderen auch in den Unterkünften der Werkvertragsarbeiter liegen könnte.

Die Verordnung des Landes Niedersachsen von 07.10.2020 schreibt in §10 vor, dass die Unterbringung der Beschäftigten möglichst nur in Einzelzimmern erfolgen soll, Küche und Bad so zu nutzen sind, dass eine ausreichende Distanz zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern gewährleistet ist. Auflagen, die im Grunde zu jeder Zeit eine Selbstverständlichkeit sein sollten. „Wir haben Zweifel, dass diese Auflagen tatsächlich in vollem Umfang in jeder Unterkunft erfüllt sind“, begründet Fraktionsvorsitzende Andrea Kötter die Forderung nach Überprüfungen zur Einhaltung dieser Vorschrift zum Schutz der Beschäftigten.

Die Konsequenz, den Schlachtbetrieb stillzulegen, ist unter anderem eine direkte Folge der schwer durchschaubaren Personalwirtschaft in den Werken und den Unterkünften der Tönnies-Gruppe und ihrer zugehörigen Sub-Unternehmen.

Leidtragende sind die Beschäftigten, die sich vor der Infizierung mit einem gefährlichen Virus kaum schützen können und die Schweinehalter, die sich unversehens einer existenzbedrohenden Situation ausgesetzt sehen.

„Der Protest der Landwirte sollte sich nicht gegen die Kreisverwaltung richten, die zum Schutz der Bevölkerung erwägt, den Betrieb zu schließen. Vielmehr muss doch spätestens jetzt, wo die Krisenanfälligkeit der industriellen Schlachtbetriebe unter Beweis gestellt wurde, ein grundsätzlicher Systemwechsel in der Fleischwirtschaft gefordert werden,“ kommentiert Klaus Fleer die grundsätzlich verständliche Demonstration der Landwirte aus der vergangenen Woche. Im Interesse der Landwirte, aber ganz besonders auch für die Beschäftigten in den Schlachtbetrieben dürfe es kein „Augen zu und durch“ geben.

Unbeschadet eventuell erforderlicher Soforthilfen für schweinehaltende Familienbetriebe fordern die emsländischen Sozialdemokraten:„ Die Folge dieser Ereignisse und Erfahrungen muss die sofortige Abschaffung der Werkverträge in der Fleischwirtschaft und im Einvernehmen mit den Landwirten der Aufbau dezentraler Strukturen mit kleineren Betrieben in der Fleischindustrie sein“